Paare, die einen Paartherapeuten aufsuchen, befinden sich in ihrer Beziehung häufig in einer Sackgasse oder vor einer unüberwindbar scheinenden Hürde. Sie stehen vor einem Berg von Problemen und wissen oft nicht mehr weiter. Sie erhoffen sich, gemeinsam mit einer objektiven Person an ihrer Seite einen Ausweg aus ihrer Situation und wieder zueinander zu finden. Dafür ist es wichtig, sowohl ihre Partnerschaft als auch das Konzept dahinter zu analysieren und zu verstehen. Hierfür helfen die typischen Phasen einer Beziehung.
Welche Beziehungsphasen gibt es?
Zwar ist jede Beziehung selbstverständlich individuell, dennoch lassen sich üblicherweise verschiedene Beziehungsphasen erkennen, die die Partner gemeinsam durchlaufen, wenn sie eine Beziehung zueinander eingehen und diese vertiefen:
- Die Phase der Verliebtheit: rosarote Brille, Schmetterlinge im Bauch und große Gefühle
- Die Phase der Ernüchterung: Ankunft auf dem Boden der Tatsachen
- Die Kampfphase: Versuche der Umerziehung und Machtkämpfe
- Die Phase der Veränderung: Akzeptanz und Weiterentwicklung in der Partnerschaft
- Die Phase der Persönlichkeitsentwicklung als Paar: Wer bin ich? Wer sind wir?
- Die Sicherheitsphase: Innige Liebe und Vertrautheit
Je nach Partnerschaft fällt jede Phase in der Beziehung unterschiedlich lang und intensiv aus. Im Folgenden werden die einzelnen Phasen einer Beziehung erläutert.
1. Beziehungspahse: Die Phase der Verliebtheit
Ein Paar, das gerade frisch zusammengefunden hat, befindet sich zunächst in einer Phase der großen Verliebtheit, die erste Phase einer Beziehung. Die Partner sehen sich gegenseitig durch eine rosarote Brille, alles am anderen scheint perfekt zu sein. Der bloße Gedanke an den Partner lässt die Schmetterlinge im Bauch wild tanzen und das Herz schneller schlagen. In dieser Phase der Beziehung schweben Sie auf Wolke 7 und würden am liebste jede Sekunde gemeinsam verbringen. Von Außenstehenden werden Paare, die sich in der ersten Verliebtheitsphase befinden, häufig belächelt. Dabei können sie eigentlich gar nichts für ihr Verhalten, denn die Hormone haben in dieser Phase gerade die Kontrolle übernommen. Der Körper schüttet die Glückshormone Serotonin und Dopamin aus und versetzt sie in einen euphorischen Glückszustand. Für sämtliche Schwächen des anderen sind frisch Verliebte blind. Die Phase der Verliebtheit dauert meist in etwa 3 bis 18 Monate an.
Sind Sie gerade frisch verliebt? Dann genießen Sie diese Phase mit allem, was dazugehört, dem Kribbeln im Bauch, dem aufregenden Sex, den großen Gefühlen. Denn auch wenn Sie das gerade nicht hören und glauben möchten, irgendwann geht diese Verliebtheitsphase vorbei und die rosarote Brille verblasst. Das heißt aber nicht, dass das, was danach kommt, nicht ebenso gut oder sogar noch besser sein kann. Vorausgesetzt natürlich, Sie bleiben dran.
2. Beziehungsphase: Die Phase der Ernüchterung
Egal wie intensiv die Verliebtheitsphase auch war, sie wird irgendwann nachlassen. Das ist ganz normal, wenn der Alltag nach und nach einkehrt. Ohne die rosarote Brille im Alltag sehen die Partner einander klarer, mit all ihren Schwächen, Eigenarten, Ängsten, Sorgen und Fehlern. In dieser Phase der Beziehung haben Sie die Chance sich richtig kennenzulernen, es geht sozusagen ans Eingemachte. Dies bedeutet, herauszufinden, ob sich aus der anfänglichen Verliebtheit mehr entwickeln, ob daraus Liebe entstehen kann. Dies charakterisert die 2. Phase einer Beziehung. Schaffen es die Partner zu akzeptieren, dass der andere eben doch nicht perfekt ist, sondern ein ganz normaler Mensch mit seinen individuellen Stärken und Schwächen?
Viele Paare denken, dass ihre Liebe zu Ende ist, wenn die Verliebtheit der Ernüchterung weicht und die ersten Konflikte und Krise einsetzt. Nicht wenige trennen sich oder denken zumindest über eine Trennung nach. Dabei befinden sie sich gerade erst am möglichen Anfang ihrer Liebe.

3. Beziehungspahse: Die Kampfphase
Der Ernüchterung folgt eine große Belastungsprobe für die Beziehung, bestimmt von dem Zweifel „Passen wir vielleicht doch nicht zusammen?“ und geprägt von Stellungs- und Machtkämpfen. Nachdem sie Schwächen und Macken am anderen entdeckt haben, versuchen die Partner häufig, den anderen umzuerziehen. Der Partner soll sich Verhaltensweisen, die den Anderen stören, abgewöhnen. Deshalb streitet sich das Paar in dieser Kampfphase oft und hinterfragt die Beziehung.
Die Partner müssen in dieser Phase der Beziehung lernen, zu akzeptieren, dass sie den anderen nicht gegen seinen Willen verändern können und sollen. In der Partnerschaft ist es wichtig sich gegenseitig so anzunehmen, wert zu schätzen und zu lieben, wie man ist. Dieser Schritt ist nicht einfach. Er erfordert viel Kraft, Ausdauer, Geduld, Kompromisse und Mut.
Kein Wunder, dass viele Beziehungen genau an dieser Stelle scheitern. Oftmals zeigt sich hier auch, dass die Gefühle, die da sind, einfach doch nicht für eine ernsthafte, langfristige Partnerschaft reichen.
4. Beziehungspahse: Die Phase der Veränderung
Wenn ein Paar beginnt, die Kampfphase hinter sich zu lassen, fangen Prozesse der Veränderung und Weiterentwicklung an. Die vierte Phase der Beziehung beginnt. Die Partner haben sich dazu entschlossen, miteinander statt gegeneinander zu kämpfen. Das heißt aber auch, dass sie in vielen Punkten der Beziehung Kompromisse eingehen und Konflikte bewältigen müssen, damit beide Partner gut damit leben können. Jetzt entwickeln sie aus ihren teilweise unterschiedlichen Vorstellungen einen gemeinsamen Lebensentwurf.
Die Partner finden heraus, auf welchen Gemeinsamkeiten sie aufbauen können und wie sie mit unterschiedlichen Vorstellungen im Leben umgehen. Viele Paare legen sich in dieser Phase auf einen langfristigen, gemeinsamen Wohnort fest, planen ein eigenes Haus, eine eigene Familie und ihr gemeinsames Leben. Natürlich gelingt und bekommt die Veränderung nicht allen Paaren. Manch ein Partner wird vielleicht feststellen, dass der Lebensentwurf des anderen doch nicht mit den eigenen Vorstellungen und Wünschen vereinbar ist.

5: Beziehungsphase: Die Phase der Persönlichkeitsentwicklung
Die letzten Monate und Jahre der Partnerschaft waren geprägt von Beziehungsarbeit. Die nächste Phase der Beziehung beginnt. Das „Wir“ stand klar im Fokus. Zeit, sich auch einmal wieder auf das „Ich“ zu besinnen. Anstatt sich zu Fragen:
- „Wo wollen wir hin?“
- „Was wünschen wir uns für die Zukunft?“
- „Was macht uns glücklich“,
sollten Sie sich zwischendurch auch einmal wieder die Fragen stellen:
- „Was tut mir gerade gut?“
- „Was sind meine ganz eigenen Bedürfnisse? “
- „Bin ich im Moment, so wie es gerade ist, glücklich?“.
Erkennen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und tolerieren Sie die Bedürfnisse des andern. Es ist völlig natürlich und normal, dass ein Paar nicht alle Interessen und Hobbys teilt. Geben Sie sich gegenseitig Freiraum, um sich selbst und sich gleichzeitig auch als Paar weiterzuentwickeln. Nehmen Sie sich bewusst Zeit für sich selbst, Ihre Hobbys, Ihre Freunde.
6. Beziehungsphase: Die Sicherheitsphase
Hat ein Paar die fünf Beziehungsphasen erfolgreich gemeinsam durchgestanden und alle Steine auf dem Weg übersprungen oder zur Seite geräumt, erklimmt es das Plateau zur Sicherheitsphase. Die Partner befinden sich jetzt in einer stabilen Beziehung, bestimmt von tiefem Vertrauen und inniger Liebe, die mit der ersten Verliebtheit nur noch wenig zu tun hat.
Bildlich gesprochen: Nach einer Seefahrt voller Auf und Abs, durch ruhige, fast stehende Gewässer sowie hohe Wellen und Sturm, sind sie im sicheren Hafen angekommen. Beim anderen zu sein, fühlt sich an wie zuhause zu sein. Sie können voreinander ganz sie selbst sein, ohne sich verstellen oder gar lügen zu müssen. Sie können einander offen und ehrlich sein, Freude und Glück, aber auch Kummer, Sorgen und Schmerz miteinander teilen. Die stürmische Leidenschaft aus der Verliebtheitsphase ist tiefem Respekt, gegenseitigem Vertrauen und ehrlicher Liebe gewichen. Der Sex ist vielleicht nicht mehr ganz so häufig und wild wie am Anfang der Beziehung, dafür aber umso inniger und intensiver.
Ende der Beziehungsphasen
Auch, wenn Sie in Ihrer Partnerschaft die Sicherheitsphase erreicht haben, bedeutet das für Ihre Beziehung nicht automatisch Stillstand. Unser Umfeld und auch wir befinden sich uns in stetiger Veränderung. Einschneidente Ereignisse, wie der Tod eines nahen Angehörigen, und große Ereignisse, wie die Geburt eines Kindes, können dazu führen, dass Sie eine oder mehrere Phasen einer Beziehung wiederholt durchlaufen müssen.
Gerade dann sollten Sie sich nicht unterkriegen lassen und nicht aufhören, an Ihre Partnerschaft zu glauben.