Bindungsangst in Beziehungen – Die Angst vor der Nähe


Was ist Bindungsangst?

Verschiedene Formen der Angst vor Nähe und dem verlassen werden.

Eine Partnerschaft stellt für uns Menschen im Erwachsenenalter einen wichtigen Bestandteil des Lebens dar. Denn wir alle sind Bindungswesen. Dahinter steckt das Grundbedürfnis nach einer emotionalen Verbindung zu einem anderen Menschen, damit wir uns zugehörig und sicher fühlen können. Und obwohl wir uns alle* nach Nähe und Geborgenheit in einer Partnerschaft sehnen, fällt es einigen sehr schwer, sich zu öffnen und eine Beziehung mit anderen einzugehen oder sich in Beziehungen sicher verbunden zu fühlen. Statt Glücksgefühlen löst der Gedanke an eine dauerhafte Verbindung Ängste, Stress oder gar Panik aus. Entweder die Angst vor zu viel Nähe, bekannt als Bindungsangst oder aber auch die Angst vor dem plötzlichen Verlassenwerden, auch als Verlustangst bezeichnet. Beides sind verschiedene Formen einer Angst, die nur in emotional bedeutsamen Beziehungen ausgelöst werden.

Dieser Blogbeitrag behandelt ausschließlich die Form der Bindungsangst. Bitte lesen Sie sie hier zum Thema der Verlustangst weiter.

Ganz wichtig! Der Begriff Bindungsangst ist kein psychologischer Fachbegriff und auch keine Diagnose. Er stammt vielmehr aus der alltagspsychologischen Ratgeberliteratur. In der Bindungstheorie handelt es sich dabei um einen mehr oder weniger „vermeidenden Bindungsstil“. Über die verschiedenen Bindungsmustern und ihre Auswirkungen in Beziehung können Sie hier mehr erfahren.

Menschen mit einer ausgeprägten „Bindungsangst“ oder besser einem vermeidenden Verhalten in Beziehungen haben Angst davor, eine langfristige, enge Beziehung zu einem anderen Menschen einzugehen. Daher werden sie leider auch gerne als „Liebes-Phobiker“ oder „Beziehungsverweigerer“ bezeichnet. „Bindungs-Phobikern“ fällt es sehr schwer, stabile Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Obwohl die Betroffenen sich innerlich nichts sehnlicher wünschen, als zu lieben und geliebt zu werden. Wirklich! Deswegen stigmatisieren Begrifflichkeiten wie diese und beschreiben nicht das gesamte Wesen der Person. Sie erleben in engen Beziehungen Probleme damit zu haben, emotionale und körperliche Nähe über einen bestimmten Zeitraum zuzulassen. Die sukzessiv entstehenden Gefühle der Enge können als Gefahr und Bedrohung erlebt werden. Anstatt nach anfänglicher Verliebtheit sich auf eine ernsthafte Beziehung einlassen zu können, gehen sie in den Rückzug. Ziehen sich entweder Stück für Stück aus der Beziehung heraus oder beenden diese plötzlich.

Bindungsangst kann auch in bestehenden festen Beziehungen vorherrschen. Menschen mit einem vermeidenden Bindungsmuster oder einem Rückzügler-Verhalten fällt es schwer gut im Kontakt mit sich selbst zu sein. Das heißt, zu merken, wann sie wieder mehr Freiraum für sich allein brauchen und dieses Bedürfnis mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner zu kommunizieren. Nicht selten eskalieren kleine Konflikte mit diesen Menschen unverhältnismäßig und für sie gibt es dann einen „guten Grund“ warum sie auf Abstand zu ihrem Gegenüber gehen. Zurück bleibt der Ratlosigkeit bei dem anderen Part.

Das mangelnde Einfühlungsvermögen in sich selbst ist meistens der Grund, warum sich viele Betroffene ihrer Bindungsangst oder ihres vermeidenden Bindungsstils, deren Ursache und Auswirkungen gar nicht bewusst sind.


0 Kommentare
Blog
Lesedauer 9 minutes

Inhaltsverzeichnis

Welche Ursachen hat Bindungsangst?

Bindungsängste betreffen sowohl Männer als auch Frauen. Allerdings taucht statistisch gesehen das vermeidende Bindungsverhalten bei Männern häufiger auf als bei Frauen.

Die Ursachen einer Bindungsangst liegen in der Vergangenheit der Betroffenen. Das  „vermeidende Bindungsmuster“ wird in der Regel in der Familie und damit über die gesamte Kindheit und Jugend geprägt. Das unsichere Bindungsverhalten entsteht durch zu viele negative Erfahrungen in der Verbindung zu den eigenen Eltern wie emotionale Verletzungen in Form von Abweisungen und Vernachlässigung. Aber auch das Erleben bestimmter Traumata hat nachhaltigen Einfluss auf diese Menschen. Die Beziehungsangst wurzelt beispielsweise in:

  • einem unerfüllten Wunsch nach Geborgenheit und Nähe,
  • einer Zurückweisung oder Vernachlässigung durch die Eltern,
  • einem erleben von bedrohlichen Konflikten zwischen den Eltern

oder aber auch

  • in einer überbehüteten Kindheit.

Wenn die Angst vor körperlicher Nähe stärker ausgeprägt ist als die Angst als vor emotionaler Nähe, sind Missbrauchserfahrungen in der Kindheit oder Jugend eine häufige Ursache. Solche Erlebnisse führen in vielen Fällen dazu, dass betroffene Personen große Schwierigkeiten mit Berührung und Sexualität entwickeln.

In jungen Jahren versuchen diese Menschen unbewusst mit diesen für sie ungünstigen Bindungssituationen oder traumatischen Erfahrungen bestmöglich umzugehen. In der Regel durch Verdrängung der eigenen Gefühle im Innern und Rückzug ins Alleinsein. Wenn diese Erfahrungen und diese Bewältigungsstrategien im Erwachsenenalter nicht aufgearbeitet werden, schaffen es diese Menschen leider nicht sichere und lebendige Partnerschaften aufzubauen. Es fällt ihnen dann schwer, sich in Beziehungen fallen zu lassen. Die Angst davor verletzt, enttäuscht oder abgewiesen zu werden ist viel größer als die Sehnsucht nach Nähe und Liebe.

Selbstzweifel

Menschen mit einem unsicheren Bindungsmuster entwickeln meist ein mangelndes Selbstbewusstsein. Das heißt, sie haben ein negatives Bild von sich selbst verinnerlicht und empfinden sich in der Tiefe selbst als nicht liebenswert. Wer sich nicht liebt, kann sich nur schwer vorstellen und annehmen, dass das jemand anderes tut. Dies führt zu ständigen Zweifeln an der Liebe des Partners.

Die Symptome von Bindungsangst

Unterscheidung zwischen passiver und aktiver Bindungsangst.

Auch innerhalb der Angst vor Nähe gibt es verschiedene Formen:

Die zu Unrecht bezeichneten „Bindungsphobiker“ sind sich wie gesagt ihrer tieferliegenden Bindungsangst gar nicht wirklich bewusst. Im Gegenteil: Häufig sehnen sie sich nach einer festen Beziehung und sprechen auch sehr viel und oft mit Freunden darüber. Dafür, dass es mit der glücklichen Partnerschaft nicht funktioniert, finden Betroffene meist diverse Erklärungen: Zum Beispiel verlieben sie sich ihrer Meinung nach immer in die falschen Männer oder Frauen. Hierbei fällt es besonders bei Frauen häufiger auf, dass ihre darunter liegende Bindungsangst vor anderen und auch vor sich selbst nicht erkennbar wird. Diese Form der Beziehungsangst ist auch als passive Bindungsangst bekannt.

Andere meiden feste Beziehungen, indem sie sich selbst und ihren Mitmenschen unbewusst vormachen, gar keine Partnerschaft anzustreben, sondern lieber ihre Freiheit genießen zu wollen. Sie stürzen sich in eine lockere Affäre, eine Fernbeziehung oder eine offene Beziehung. Durch das Gefühl der Distanz hält sich die Aktivierung der Angst in Grenzen und diese Menschen können sich – zeitweise begrenzt – auf den intimen oder emotionalen Kontakt mit anderen einlassen. Hierbei spricht man auch von aktiver Bindungsangst.

Die aktive Bindungsangst wird häufiger bei Männern beobachtet, während Frauen sich häufiger in der passiven Rolle finden lassen.

Typische Anzeichen und Verhaltensweisen

Weitere Anzeichen, die unabhängig vom Geschlecht auftreten:

  1. Die Angst vor dem Scheitern in einer Beziehung ist größer als der Wunsch nach einer langen Partnerschaft.
  2. Verpflichtungen und Verbindlichkeiten in einer festen Beziehung verursachen Druck.
  3. Es herrscht ein sehr großes Sicherheitsbedürfnis, d.h. Konflikte werden eher vermieden.
  4. Es werden unrealistisch hohe Erwartungen an einen möglichen Partner gestellt.
  5. Bindungsängstliche Personen wechseln sehr häufig den Partner.
  6. Nach einer Trennung stürzen sie sich schnell in eine neue, eher oberflächliche Beziehung.
  7. Sie wählen häufig oder gar ausschließlich unerreichbare Partner wie zum Beispiel Personen, die bereits vergeben sind.
  8. Wenn es nach den ersten Verabredungen ernst wird, gehen sie auf Abstand und sind eine Zeit lang unerreichbar.
  9. In Beziehungen sorgt Streit dafür, dass sie Distanz zum Partner aufbauen oder der Grund für eine Trennung wird.
  10. Personen mit Bindungsangst können auf die Verletzlichkeitsäußerungen des Partners oder Partnerin kalt und distanziert reagieren.
  11. „Bindungsphobiker“ meiden Themen wie gemeinsame Zukunft, Heirat und Familienplanung.
  12. Zärtlichkeiten wie Küsse, Umarmungen oder Händchen halten in der Öffentlichkeit sind ihnen unangenehm und daher selten.
  13. „Liebesphobiker“ möchten ihren Partner nicht ihrer Familie und Ihrem Freundeskreis vorstellen.
  14. Eine gemeinsame Wohnung kommt für Bindungsängstliche nicht in Frage.
  15. Personen mit Bindungsangst sind eher unzuverlässig und sagen beispielsweise romantische Verabredungen oft kurzfristig ab.

Wie lässt sich Bindungsangst behandeln?

Um eine Beziehungsunsicherheit oder „Beziehungsunfähigkeit“ behandeln und schlussendlich überwinden zu können, ist es wichtig, dass Betroffene zunächst einmal erkennen und auch anerkennen, dass sie in Beziehungen eher ein mehr oder weniger vermeidendes Verhalten dem Partner oder Partnerin gegenüber zeigen. Ist dieser Schritt getan, ist eine Psychotherapie oder eine professionelle Beratung am wirkungsvollsten. Auf diesem Wege können Betroffene die zugrunde liegenden Ursachen verstehen und ein gesundes und sicheres Bindungsmuster erlernen. Damit helfen sie sich nicht nur selbst in der Weiterentwicklung, sondern können auch womöglich ihre Beziehung retten. Hier sind einige Ansätze, die in der Therapie zur Behandlung vom vermeidenden Bindungsstil oder Bindungsangst häufig angewendet werden:

  1. Psychotherapie: Am erfolgreichsten zeigt sich hier die Anwendung der Bindungsorientierten Therapie: In dieser Therapieform lernt ein bindungsängstlicher Mensch seine Bindungsfähigkeit zu stärken. Negative Glaubenssätze über sich selbst und über andere können überwunden werden. Die Ursachen der Bindungsangst werden mit Hilfe des Therapeuten oder Therapeutin identifiziert und traumatische Erfahrungen aufgearbeitet. Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist die emotionale Regulation, das heißt ein gesunder Umgang mit Gefühlen wird geübt.
  2. Emotionsfokussierte Therapie (EFT): EFT ist eine Form der Paartherapie, die darauf abzielt, die emotionale Verbindung zwischen Partnern zu vertiefen und zu stärken. Bei vermeidenden Verhalten oder Bindungsangst in einer Partnerschaft kann EFT helfen, die Ängste und Unsicherheiten zu erkennen, zu verstehen und zu verändern. Therapeuten:innen unterstützen die Paare dabei, sich gegenseitig zu unterstützen und eine sichere Verbindung zueinander aufzubauen.
  3. Gruppentherapie oder Selbsthilfegruppen: Hier findet ein Austausch mit anderen Betroffenen in einem Gruppensetting statt. Dieser kann hilfreich sein, um sich mit seiner Bindungsangst weniger allein zu fühlen. Die Teilnehmer lernen über ihre Ängste und Unsicherheiten zu sprechen. Sie lernen voneinander und unterstützen sich über einen längeren Zeitraum gegnseitig.
  4. Achtsamkeitsbasierte Trainings: Ein Achtsamkeits-Kurs wie MBSR (Mindfulness-Based-Stress-Reduction) helfen, die Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu lenken und die Gefühle von Angst zu regulieren. In einer im Alltag integrierten Achtsamkeitspraktik trainiert sich die Person darin, ihre Ängste und Sorgen besser zu beobachten und weniger von ihnen überwältigt zu werden. Dies kann zu einer besseren Selbstresonanz führen und der Bindungsängstliche kann ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit in Beziehungen erleben.

Wann Partner helfen können

Für Beziehungsängstliche, die in der Partnerschaft vor allem Angst davor haben, Fehler zu machen, ist die Erfahrung wichtig und heilsam, dass sie Fehler machen dürfen. Ohne dafür kritisiert, abgewertet oder abgelehnt zu werden. Das Gefühl, genau so geliebt zu werden, wie man ist, ist eine der Grundvoraussetzungen für eine funktionierende und gesunde Beziehung. Daher kann ein umsichtiger, verständnisvoller und geduldiger Partner viel dazu beitragen, die Bindungsangst zu reduzieren. Im besten Fall überlagern die positiven Gefühle aus der neuen Partnerschaft die schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit, sodass Betroffene eine feste Beziehung immer weniger mit negativen Gefühlen verknüpfen.

… und wann nicht

Je stärker die Bindungsangst aber ausgeprägt ist, desto weniger kann auch ein liebender Partner oder Partnerin tun, um den Betroffenen auf langer Sicht zu helfen. Ab einem gewissen Punkt müsste sich die Helfende oder der Helfende in seinem Bedürfnis nach einer verlässlichen emotionalen Nähe zu stark zurücknehmen, so dass dieser dann auch leiden würde. Hier ist es wichtig, dass die Betroffenen von Bindungsangst sich Unterstützung in Form einer Therapie holen. Oder, das beide eine Paartherapie aufsuchen.

Erste Schritte

Wenn Sie sich oder Ihre Partnerin, Ihren Partner in diesem Text zwar wiedergefunden haben und noch offene Fragen haben oder sich unsicher sind, dann lade ich Sie ein entweder allein oder gemeinsam in meine Beratung zu kommen.

Avatar-Foto

Paartherapie Berlin – Diana Boettcher

Praxis Diana Boettcher - Paartherapie, Paarberatung & Eheberatung
Berlin Prenzlauer Berg und Mitte

Hallo, ich bin Diana Boettcher und ich unterstütze Paare dabei, eine gesunde, erfüllte und liebevolle Beziehung zu realisieren.

Seit mehr als 18 Jahren berate und begleite ich Individuen, Paare und Familien in schwierigen Lebenslagen. Was mich in meiner Arbeit immer wieder motiviert? Zu erleben, wie meine professionelle und empathische Art den Menschen dabei hilft, aus ihren individuellen Krisen gestärkt hervorzugehen.

Über mich

Neueste Beiträge